Mich plagt keine Midlife Crisis und die grauen Haare machen mir schon seit Jahren nichts aus. Trotzdem ist der 46. Geburtstag ein Kipppunkt.
Heute feiere ich meinen sechsundvierzigsten Geburtstag. Dieser Tag ist für mich ein tipping point. Keine Sorge, es geht mir gut, ich bin gesund, glücklich und dankbar für das privilegierte Leben, das ich führen darf. Doch heute übertrete ich die Schwelle von Jünger zu Älter. Das klingt nach Blödsinn, denn immerhin sind fast 30 Prozent der deutschen Bevölkerung älter als 60 Jahre, was allgemein als gereift gilt.
Darüberhinaus sind diverse Kipppunkte im menschlichen Alterungsprozess bekannt, je nachdem, welches Zipperlein in den Fokus rückt:
"Herzinfarkte treffen Männer am häufigsten zwischen 68 und 76 Jahren, laut der Deutschen Herzstiftung erreicht die Einweisung von Männern mit koronarer Herzkrankheit in Kliniken mit 75 bis 80 ihren Höhepunkt; Frauen erleiden Infarkte meist erst nach dem 76. Geburtstag, sie sind durch das Hormon Östrogen besser vor Arterienverkalkung geschützt. Demenz, der größte Schrecken, sucht vorwiegend über 80-Jährige heim. Der Muskelabbau beginnt [...] schon mit Mitte 30."Quelle: Die Zeit (sic!)
Nein, mich plagt keine Midlife Crisis und die grauen Haare machen mir schon seit Jahren nichts aus. Wieso soll also ausgerechnet der 46. Geburtstag einen Kipppunkt darstellen?
Weil die Statistik nüchtern und unbarmherzig ist: Der Altersmedian der Bevölkerung in Deutschland lag 2022 bei 44,8 Jahren. Das bedeutet, eine Hälfte der Bevölkerung ist jünger als 45, die andere Hälfte ist älter. Am häufigsten sind Menschen in Deutschland zwischen 50 und 65 Jahre alt. Es handelt sich bei ihnen also um die berühmt-berüchtigten Boomer und Vertreter der Generation X. Weil es so viele davon gibt, darf ich mich jetzt statistisch gesehen alt fühlen.
Quelle: Statistisches Bundesamt
Quelle: Eurostat, UN DESA
Streng genommen bin ich schon letztes Jahr auf die andere Seite gewechselt - doch 2021 lag der Altersmedian noch bei 45,9 Jahren. Die Bundesrepublik ist vergangenes Jahr etwas jünger geworden, weil die Geburtenrate um 3% stieg und die Sterblichkeitsrate gar um 4% zulegte - erstmals gab es in der Bundesrepublik über eine Million Todesfälle binnen eines Jahres.
Aber hey - die Hälfte meines Lebens liegt möglicherweise noch vor mir und ich behaupte, ich bin in so guter körperlicher Verfassung wie seit meiner Kindheit nicht mehr. Es gibt keinen Grund, Trübsal zu blasen. Also im übertragenen Sinne, denn die aktuellen Krisen globalen Ausmaßes sind emotional belastend. Für die jungen Menschen noch deutlich stärker als für uns auf der anderen Seite.
Sie sehen sich konfrontiert mit der Klimakatastrophe, einer neuen Angst vor nuklearer Eskalation internationaler Konflikte und dem Aufkündigen des Wohlstandsversprechens: Dass mit dem eigenen Einkommen zwei PKW, ein Eigenheim und noch die Altersvorsorge zu finanzieren sind, gehört mittlerweile in das Reich der Märchen.
Mut, Zuversicht und Tatkraft sind die wichtigsten Eigenschaften, die junge Menschen in diesen Zeiten aufbringen können. Denn sie müssen den Karren aus dem Dreck ziehen. Angesichts bestehender demographischer Kräfteverhältnisse wird ihnen das jedoch kaum alleine gelingen. Es braucht dringend die Unterstützung woker Boomer, die sich vom Klischee des alten weißen Mannes absetzen:
"Auch ich habe mich nach dem ersten Aufkommen des Begriffs persönlich angegriffen gefühlt. Ich kann jedoch jedem Mann in meinem Alter nur zurufen: 'Sei nicht so beleidigt!' Gerade im Kampf gegen die Klimakatastrophe steht die Tür für uns alte, weiße Männer immer offen. Wir werden unsere Lebensweise ändern müssen, das Auto stehen lassen und uns nachhaltiger ernähren. Wenn uns das gelingt, verschwindet auch das Klischee."Quelle: Die Zeit
Wenn ich heute also den tipping point überschreite, dann im Bewusstsein, dass ich eine Verantwortung für die nachfolgende Generationen trage. Diese darf sich jedoch nicht in wohlwollender Besserwisserei aka Mansplaining erschöpfen, sondern sollte vor allem in Demut und Neugier resultieren: Junge Menschen haben die besseren Ideen. Warum also nicht einfach mal vorbehaltlos zuhören? Konzerte eignen sich dafür, Tanzen hält zudem jung. Und wenn Chefket sich bei seinem Publikum im Frankfurter Zoom Club vor der Zugabe fürsorglich erkundigt, ob der Rücken noch mitmacht oder eine Ibu benötigt wird, – "weil wir ja alle schon älter sind" – dann ist es ein guter Tag.
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Ein großartiger Live MC, megasympathischer Mensch und selbst nicht mehr taufrisch: Chefket.
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Seit 16 Jahren arbeite ich als Marketing-, Digital- und Kommunikationsstratege in Frankfurt am Main. Mit evidenzbasierten Konzepten unterstütze ich Unternehmen und NGOs dabei, Ziele zu erreichen, die Mehrwert für Menschen schaffen. 2023 begab ich mich in ein weiteres Abenteuer und lernte die Programmiersprache Swift. Erstes Resultat meiner neuen Fähigkeiten ist Wie steht's, Brudi?, eine erfolgreiche Fußball-Schiedsrichter*innen-App für die Apple Watch.
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