Menschen können mit Herzblut, Idealen und guten Ideen heute mehr erreichen als je zuvor in der Geschichte. Deshalb beginne ich wieder zu schreiben. Über gute Entwicklungen, positive Dinge und alles, was Menschen in der postdigitalen Gesellschaft bewegt.
Ein weiteres Blog über Sport, Sportarten und Märkte, vielleicht über Sportmarketing, die Sportindustrie, Sportartikler wie adidas und Nike - braucht es das wirklich? Nein. Wer globalgalaktische Case Studies, hyperinnovative Produkte und Home Stories megaerfolgreicher Manager*innen erwartet, wird auf LinkedIn ganz sicher fündig. Hier nicht. Dieses Blog ist mehr Abfallprodukt des therapeutischen Schreibens als eine ernstzunehmende Geschäftsgrundlage. Und das kam so:
Märkte sind Gespräche. So lautet die viel zitierte erste These des 1999 erschienenen Cluetrain Manifesto. Sie wurde zum Mantra für eine ganze Generation von Web 2.0-Enthusiasten, die Mitte der 2000er Jahre eine vernetzte Kommunikation als Gespräche von Menschen mit und über Unternehmen und Institutionen auf Augenhöhe verstanden. Dieser romantischen Vorstellung widmete ich mein erstes zweites Blog namens Cluetrain PR aus dem Jahr 2009. Als PR Manager beschäftigte ich mich mit der dialogischen Kommunikation als strategischem Bestandteil des Beziehungsmanagements, beschrieb Konflikte, skizzierte Ideen und portraitierte Personen. Es waren unschuldige Zeiten mit ganz viel Aufbruchstimmung und ich war ein blauäugiger Idealist. Am Ende unterlag die Idee des Social Web als Fundament demokratischer und demokratisierender Prozesse dem kapitalisitischen Wachstumstreben. Die Plattformökonomie begünstigt seitdem Monopolisten, deren globaler Einfluss auf Wirtschaft, Politik und Gesellschaft vor 20 Jahren noch undenkbar war. Von Augenhöhe in der Kommunikation kann keine Rede mehr sein: Menschen wurden erst zu Usern und schließlich zu Klickvieh unter der Knute von Like-Buttons. Wir chatten mit Bots und schreiben auf Aufforderung positive Produkt-Bewertungen, für die wir Rabatt-Codes erhalten. Social-Media-Kommunikation ist heute in vielen Fällen nichts anderes mehr als eine schrille Form des Search Engine Marketings (SEM). Der hauptsächliche Zweck von Netzwerken dient weniger der Schaffung von sozialem und kulturellen Kapital als viel mehr der Monetarisierung über Ads, Kryptowährungen und NFTs. Social Media ist in der Summe recht eklig geworden. Cluetrain PR habe ich seit 2014 nicht mehr weiter geschrieben.
Ich musste einsehen, ein blauäugiger Idealist zu sein. Doch ich bin auch Romantiker und das lässt sich nicht einfach abschütteln. Dass Unternehmungen tatsächlich Mehrwert für Menschen generieren können, ihr Leben verbessern und leichter oder sogar schöner machen: Daran halte ich auch heute noch fest - trotz leiser Ahnung, dass das für eine sehr große Zahl der Angebote nur eingeschränkt oder gar nicht zutrifft. Menschen können mit Herzblut, Idealen und guten Ideen heute mehr erreichen als je zuvor in der Geschichte. Die Digitalisierung aller gesellschaftlichen Bereiche bietet trotz vorherrschendem Plattformkapitalismus auch Chancen für Unternehmungen, deren Ziel nicht der lukrative Exit oder Einhornstatus ist: Zum Beispiel hilft das Snowflake-Projekt Menschen in autoritären Staaten, die behördliche Zensur zu umgehen und sich umfassend zu informieren. Das Großartige daran: Jeder einzelne von uns kann dazu beitragen. Und wird das Chaos, das Elon Musk bei Twitter veranstaltet, als Menetekel für die Götterdämmerung der Plattform-Monopolisten verstanden, kann Mastodon als Hoffnungsstreif am Horizont des Fediversums gesehen werden. Großes beginnt im Kleinen: Während ich diese Zeilen schreibe, programmiert meine Tochter in ihrem Zimmer ein Arduino-Board für ein Gerät, welches das Raumklima messen und vor potentieller Schimmelbildung warnen soll. Ermöglicht wird das durch die Digitechnikum-Initiative der Polytechnischen Gesellschaft Frankfurt. Positive Impulse und zivilgesellschaftliches Engagement sind um so höher zu schätzen, je dunkler und sorgenvoller die Zeiten sind. Im Herbst 2022 ist die Zahl globaler Krisen schier überwältigend. Es braucht Mut und Hoffnung im Kleinen, um diesen zu begegnen und genug Gründe zu finden, jeden Morgen neu aufzustehen. Deshalb beginne ich wieder zu schreiben. Über gute Ideen, positive Dinge und alles, was Menschen in der postdigitalen Gesellschaft bewegt.
Was Menschen bewegt, ist ganz eindeutig der Sport. Damit meine ich zuerst das eigene Sporttreiben, weniger den Sportkonsum. Der Sport an sich ist etwas zutiefst Positives. Ich durfte das am eigenen Leib erfahren. Dieser war vor 10 Jahren mit mehr als zwanzig Kilogramm Übergewicht alles andere als in Form. Fettleibigkeit, einhergehend mit erheblichem Mangel an Ausauer und Kraft resultierten aus dem Umstand, dass meine sportlichen Zeiten bereits im Studium aufgehört hatten. Eine ungesunde und maßlose Ernährung in den Jahren danach trug entscheidend zu dieser fatalen Entwicklung bei. Mit dem Schritt in die Selbständigkeit 2013 veränderte sich vieles bei mir. Ich hatte mir geschworen, als Berater nur für Unternehmen und Organisationen zu arbeiten, deren Werte ich teile und deren Services und Produkte ich gut finde. Mir war wichtig, meine Arbeit selbst zu organisieren: Mit den Werkzeugen, die ich für am besten geeignet hielt und in der Umgebung, in der ich mich wohl fühle. Außerdem wollte ich für meine Kinder da sein und legte deshalb Wert auf zeitliche Flexibilität. Diese nutzte ich bald für ausgedehnte Spaziergänge in der Mittagspause. Statt mit Kolleg*innen Burger oder Pasta zu Mittag zu essen, drehte ich eine Runde durch den Niddapark und machte mir anschließend einen Salat oder eine Suppe. Was in den nächsten Monaten passierte, ist aus heutiger Sicht eines der schönsten Erlebnisse meines bisherigen Lebens: Ich nahm sehr schnell sehr viel ab. Ein ganz neues Körpergefühl entwickelte sich und das Selbstwertgefühl stieg erheblich. Die Tage, an denen ich meine komplette XL-Gaderobe gegen neue Bekleidung in der Größe M tauschte, waren ein einziger Kaufrausch und fühlten sich unglaublich gut an.
Irgendwann im Frühjahr 2014 stand ich morgens im Bad und begann auf der Stelle zu joggen, weil ich wissen wollte, ob ich das länger als 20 Minuten am Stück durchhalte. Meine Erinnerungen an die Laufeinheiten im Wehrdienst waren nämlich denkbar schlecht: Als kleiner Dicker war ich immer der Letzte im Zug gewesen und bin den anderen Rekruten kurzatmig hinterher gehoppelt, allein motviert von der Aussicht auf das Schnitzelbrötchen danach. Ich hatte das Laufen gehasst. An diesem Tag im Jahr 2014 änderte sich das. Noch in der gleichen Woche stand ich in einem Laufshop und kaufte mein erstes Paar Brooks Laufschuhe. Von da an ging ich Mittags nicht mehr spazieren, sondern lief durch den Niddapark. Aus drei Kilometern wurden fünf, dann sieben und sehr bald die zehn Kilometer meiner aktuellen Hausrunde. Mit dabei waren immer das iPhone und die Kopfhörer. Die richtige Musik gab mir einen Push. Sie wurde nur von der Ansage der Zwischenzeiten durch die Tracking-App Runtastic unterbrochen. Das Tracking meiner Läufe motivierte mich ungemein. Ich entwickelte einen gesunden Ehrgeiz bei der Verbesserung meiner Pace.
Im gleichen Jahr stolperte ich über einen Artikel der New York Times, "The Scientific 7-Minute Workout". Im App Store fand ich die passende Carrot Fit App und seitdem trainierte ich nahezu täglich sieben Minuten – meist vor oder nach meiner Laufeinheit – Jumping Jacks, Push-Ups, Squats und mehr. Das Fitness-Training tat mir zusätzlich gut und ich bemerkte positive Veränderungen an meinem Körper. Der nächste Schritt war also die Mitgliedschaft in einem Breitensportverein und die Teilnahme an Group Fitness-Kursen. In der Gruppe machte das Training selbst mir als introvertiertem Menschen deutlich mehr Spaß und auch der Ehrgeiz bekam neues Futter durch den direkten Vergleich mit anderen Teilnehmer*innen, von denen einige mit der Zeit zu Freund*innen wurden.
2015 fing für mich ein neues Kapitel an: Ich wurde Co-Trainer der Fußball-Mannschaft meines Sohnes. Sechs Jahre, von der G- bis zu der D-Jugend, half ich zweimal in der Woche bei dem Training der Jungs. Dort erlebte ich, wie Sport zu der Entwicklung junger Menschen beitragen kann. Sozialkompetenzen wurden gefördert, der Umgang mit Konflikten gelernt und Niederlagen verarbeitet – und das galt nicht nur für die Kinder, sondern auch für mich. Jungs aus ganz unterschiedlichen Milieus lernten als Mannschaft zu agieren und miteinander zu spielen. Geflüchtete Kinder aus Äthiopien und Afghanistan eigneten sich in kürzester Zeit die deutsche Sprache an und wurden zu selbstbewussten Team-Playern. Das kann Sport.
In den folgenden Jahren entdeckte ich das Long- und Snowboarden für mich, schaffte mir ein Gravelbike für Touren durch den Taunus an und lief meine erste Halbmarathondistanz. Mittlerweile trage ich eine Apple Watch am Handgelenk, um Herzfrequenz, Bewegungskalorien, Distanzen und Zeiten besser im Blick zu haben. Ich nutze Strava für das Tracking von Trainings, Läufen und Ausfahrten, sowie Gymbook für den Trainingsplan im Studio. An sieben Tagen die Woche treibe ich Sport. Weil es mir gut tut. Weil es mich erfüllt. Und weil Sport Folgen hat.
Am eigenen Leib konnte ich eindrucksvoll erfahren, welche Bedeutung der Sport für die körperliche und mentale Gesundheit hat. Die Aufgabe als Co-Trainer zeigte mir, wie wichtig Sport auch für die soziale Entwicklung sein kann. Darüberhinaus kann Sport jedoch auch zu mehr Nachhaltigkeit und Lebensqualität im Großen beitragen: Wer sportaffin ist, bringt eher die Bereitschaft mit, vom Auto auf das Fahrrad umzusteigen und zur Verkehrswende in deutschen Großstädten beizutragen. Eltern, die ihre Kinder nicht mit dem Auto zur Schule bringen, sondern zu Fuß oder mit dem Rad, leisten als Vorbilder einen wichtigen Beitrag für den Klimaschutz. Auch geht Sport oftmals einher mit bewusster und gesunder Ernährung: Das ehrgeizige Training bedingt eine kritische Auseinandersetzung mit den zucker- und fetthaltigen Erzeugnissen der Lebensmittelindustrie und ein gesteigertes Qualitätsbewusstsein. Neue Sportorte wie innerstädtische Calisthenics-Anlagen und Skateparks tragen dazu bei, Sport als lebensweltlichen Aspekt im Alltag von Kommunen zu verankern. Leasing-Angebote für Firmen-Fahrräder können positiv auf die Arbeitgebermarke einzahlen. Sport kann auch gesellschaftliche Veränderungen anstoßen: So haben etwa die Spielerinnen der US-Nationalmannschaft unter Führung von Megan Rapinoe im Jahr 2022 einen historischen Tarifvertrag ausgehandelt, der die gleiche Bezahlung für die Spieler*innen der Damen- und Herrenmannschaften vorsieht. Ein wichtiger Sieg für die Gleichstellung. Nicht minder bemerkenswert: Der DFB regelt im Amateurfussball in der Spielzeit 2022/2023 erstmals die Frage nach der Teilhabe von nicht-binären und trans* Spieler*innen. Diese können zukünftig selbst entscheiden, ob sie in einer Herren- oder Damenmannschaft spielen wollen. Ein wichtiger Schritt, um der Stigmatisierung von LGBTQ+ entgegen zu wirken. Das alles kann Sport.
Nicht zu vergessen die Folgen, welche die Digitalisierung des Sports nach sich zieht: Das Tracking der sportlichen Leistung hilft bei der Einordnung und kann Motivation erzeugen. Sportbezogene Plattformen etablieren eigene Communities, ermöglichen die einfache Selbstorganisation von Sport alleine oder zusammen mit anderen und machen an unbekannten Orten Sportgelegenheiten zugänglich. Bildgewaltige Reels auf Instagram, TikTok und YouTube verlagern das Hauptaugenmerk weg vom Credo "Höher, Schneller, Weiter" hin zu einer neuen Ästhetik des Sports abseits von Tartanbahn und Turnhalle. Der Wettkampf steht hinter der Inszenierung zurück.
Natürlich lässt sich auch eine gewaltige Menge negativer Folgen gerade des professionellen Sports zusammentragen: Katar, Korruption, Doping und Umweltzerstörung stehen als Stichwörter stellvertretend für das, was schlecht ist am Sport. Wird nach den Gründen für diese zumindest moralisch verwerflichen Auswüchse gesucht, findet sich am Ende immer eine beachtliche Menge Geld und große Gier von Menschen, die von demokratischen Kontrollsystemen nicht belangt werden (können). Das hat der Sport mit der Entwicklung des Plattform-Kapitalismus gemeinsam. Kritischer Journalismus wird diese Missstände auch in Zukunft thematisieren und das ist gut so. Kriminelle Machenschaften, Diskriminierung und Vorteilname sollen jedoch nicht Themen dieses Blogs sein. Vielmehr gilt es, diesen Entwicklungen entgegen zu wirken. Das gelingt, wenn nicht Profit im Zentrum unternehmerischen Handelns steht, sondern die Idee für ein besseres Leben. Im Kleinen wie im Großen, vom Sportverein bis zum Sportartikler. Darum geht es zukünftig bei Sports & Markets. Denn mit der richtigen Intention kann viel Gutes entstehen.
Frankfurt am Main, Dezember 2022
Seit 16 Jahren arbeite ich als Marketing-, Digital- und Kommunikationsstratege in Frankfurt am Main. Mit evidenzbasierten Konzepten unterstütze ich Unternehmen und NGOs dabei, Ziele zu erreichen, die Mehrwert für Menschen schaffen. 2023 begab ich mich in ein weiteres Abenteuer und lernte die Programmiersprache Swift. Erstes Resultat meiner neuen Fähigkeiten ist Wie steht's, Brudi?, eine erfolgreiche Fußball-Schiedsrichter*innen-App für die Apple Watch.
Mastodon: @teelz@frankfurt.socialLinkedIn: linkedin.com/in/thilospechtStrava: strava.com/athletes/47303275E-Mail: thilo@sports.and.markets
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